Titel: Geisterkonzert
Instrumentation: Konzert für Gitarre und Orchester
Jahr: 2024–25
Dauer: 25 Min.
Uraufführung: Gothenburg, Sweden 2025
Interpreten: Magnus Andersson und Gothenburg Symphony Orchestra
Im Jahre 1841 wollte Robert Schumann in der „Romanze“ seiner 4. Sinfonie zunächst einen Gitarren-Part einbinden. Doch schrieb er das Werk in der Folge um, wobei der Gitarren-Part auf der Strecke blieb. Aber was wäre, wenn Schumann diesen Teil späterhin doch noch realisiert hätte, etwa als er die Sinfonie 1851 erneut überarbeitete?
Der Gitarren-Part wäre sicherlich durch Schumanns fortschreitenden Wahnsinn beeinflusst worden. Damals wurde Schumann der Erfinder immer mehr von Schumann dem Sammler abgelöst, welcher sich mit Transkriptionen von Bach und dem Schreiben von Fugen beschäftigte, da er, anstatt Neues zu erfinden, das historische Material in seine Kompositionen einzufügen und dort zu erhalten versuchte. Diese historischen Zitate sind weniger als ein Material behandelt, das Schumann weiterentwickelte, sondern vielmehr als Invokationen des Vergangenen, genauso wie Hölderlin in seinen späteren Dichtungen geschichtliche Namen ausruft, die eine bestimmte Bedeutung bereits mitbringen und auf diese auf die Dichtung ausstrahlen lassen. An dieser Stelle, wo auch in Schumanns Musik wiederholte Anrufungen als Zeichen dienen, welche sich in unvorhersagbaren Höhenflügen offenbaren (so als würden Geister beschworen werden), tritt der Schumann hervor, der sich für Alchemie begeisterte und öfters davon sprach, dass Gespenster ihn besuchten.
Die fremdartige, „spukhafte“ Qualität des späten Schumann legt einen deutlichen Akzent auf die Subjektivität seines Werkes, indem sie die rein menschliche, „viszerale“ Seite des Künstlers erkennen lässt. Durch sein Anders-Sein und seine Distanz zu uns nehmen wir ihn umso stärker wahr. Barthes schreibt hierzu: „… indem wir Schumanns Körper in unserem Erleben seiner Musik zu spüren vermögen, bekommen wir erst eine Vorstellung von seiner Krankheit.“
Schumanns Musik, und gerade seine späte Musik, wo der spontane Akt der Erfindung zunehmend durch seine Krankheit infragegestellt war, bewahrt die vielen unterschiedlichen Zitate, auf die sie sich bezieht, wie Objekte, die in Glasgefäßen konserviert werden, oder in Stein, oder wie Namen, die auf Grabsteinen verewigt sind. In diesen späten Werken werden Dinge in dem Maße erinnert, wie der Name des zu Erinnernden beschworen wird. Deleuze und Guattari schreiben: „In einem Konzert benötigt Schumann die vereinte Kraft des gesamten Orchesters, damit auch nur eine Stimme, etwa die des Cellos, umherschweifen kann wie ein Licht, das in der Entfernung kleiner wird und erlischt, oder auch wie ein Ding, das in unserer Erinnerung aufscheint und sie durchwandert, bevor es wieder dem Vergessen anheimfällt.“
Geisterkonzert ist ein Ausarbeitung von Schumanns Romanze zu komponieren, in welcher der ausgesparte Gitarren-Part rekonstruiert wird (oder auch heraufbeschworen wie bei einer jener spiritistischen Sitzungen, die Schumann so gern besucht hat), und dies in Form eines Solos, das aus dem Romanzen-Satz ein fantastisches Gitarren-Konzert macht. Für dieses Konzert möchte ich versuchen, soweit wie möglich die Perspektive Schumanns einzunehmen, auf dass in der Sphäre des „Sammlers“ ein Nebeneinander von Gegenwart und Vergangenheit entsteht, das den „verlorenen“ Gitarren-Part der 4. Sinfonie allmählich aus dem Dunkel ans Licht treten lässt.